Montag, 26. April 2010

America. Eine Geschichte in Zeitraffer. Unchronologisch.

Münster International. 5:47 h. Düster.

“Würden Sie mir bitte folgen?!”

Diese höfliche Aufforderung abzulehnen würde lediglich eine Auflehnung gegen ein unausweichliches Schicksal bedeuten, das sich dann in Form grüner Uniformierter manifestiert hätte. Sicher, ich als der, der ich bin, bin natürlich potenziell ein mutmaßlicher sogenannter Bomber! Also wird mein elektronisches Equipment auf Sprengstoff überprüft!

Negativ.

Natürlich.

Jetzt stelle man sich mal vor, die hätten bei mir Atome festgestellt.


Frankfurt am Main Flughafen. 7:47 h. Dämmerung.

Erneute Sicherheitskontrolle.

Keine Sprengstoffkontrolle. Schade.

Die neue Welt liegt jetzt lediglich ein Boardingprocedure von mir entfernt. Leichte Nervosität. Der Mann einer vereinigten Fluggesellschaft begrüßt mich mit dem klassischen

“how are things goin` on for you?!”

“Well, tell me?!”



Chicago O'Hare. 10:32 a.m. Rainy.

Ich erreiche den Passkontrollbereich. Lediglich zwei Stunden (!) trennen mich jetzt noch von der Frage, von der einen Frage, von der entscheidenen Frage, von der alles abhängt: “What kind of research?!”


Chicago O'Hare. 12:33 a.m. Thunder.

“What kind of research?!”


Chicago O'Hare. 1:10 p.m. Cloudy.

“Sir, please open your luggage.”

Eine neue, mir noch nicht bekannte Regel, der FIA, äh, na der internationalen Flugaufsichtsbehörde, besagt: Jedes Verkehrsflugzeug muss nach 90 Sekunden geräumt sein und auf jedem Kontinenten muss jeder Fluggast jeweils mindestens einer Sprengstoffüberprüfung unterzogen werden.

Und wieder findet der Sicherheitsbeamte keinerlei Hinweise auf einen eventuell vorhandenen Sprengstoffhintergrund. Noch nichtmal Atome findet er. Wenigstens ist er genauso enttäuscht wie ich.


Lansing. 4:10 p.m. Windy.

Mit 35 min Verspätung landet der Flug, dessen Dauer 30 min beträgt. Respekt. Der Flughafen ist so groß, dass man sich dagegen in Münster International verlaufen kann. Respekt. Nach kurz einsetzender Euphorie kommt das absolute Grounding: Mein Koffer konnte mir nicht folgen. Jetzt stehe ich also in der neuen Welt und habe nichts. Wie damals. 16hundertund auf der Maiblume.


Lansing. 4:30 p.m.

Ein urtypischer Klischeeamerikaner fühlt mit mir den Nachsendeauftrag aus. Gäbe es den urtypischen Klischeeamerikaner nicht, so müsste man ihn nach seinem Vorbild erschaffen. Wenigstens wird mir mein Gepäck nachgesandt. Mit, natürlich, UPS. Wenn es soetwas schon 16hundertund gegeben hätte.


East Lansing 5:15 p.m.

Einchecken. Leider liegem der Rezeption keinerlei Informationen über meine Ankunft vor.

Wie damals, 16hundertund.

Nach kurzem Überlegen bekomme ich dann doch ein Zimmer.

Jetzt sitze ich hier gestrandet, mit nichts.

Nichts? Nicht ganz, meine Kreditkarte und mein Mobiltelefon halten sich an ihren Treueschwur.

It's america. We love it. So say we all.

To be continued...

Mittwoch, 4. November 2009

Japan, Ick lieb dir

Letztlich hat sich das Warten gelohnt. Nach nunmehr acht entbehrungsreichen Monaten habe ich wieder einen, sogar zwei Füße auf den Inselboden gestellt. Und sofort hat sich das Wohlfühl-Gefühl eingestellt. Der Busunternehmensmitarbeiter, der mich freundlich begrüßte, die Tuchfühlung in der U-Bahn und natürlich die allgegenwärtige High-Tech, die einem das Leben so viel angenehmer macht.
Das Manifest des absoluten high-tech-nischen Wahnsinns ist die "Bleibe", die meiner Person zur Verfügung gestellt wurde. Ich meine, ja, in Zeiten der global agierenden Klimaveränderung ist richtig und wichtig, dass ich die Temperatur des Warmwassers im Bad optimal an meine eigenen Bedürfnisse anpassen kann, ja, es ist richtig und wichtig, dass ich das Wasser in einem exakt festlegbaren Zeitraum zu erwärmen bzw. warm vorzuhalten und ja, es ist richtig und wichtig, dass die Steuerungseinheit (Bild links) sämtliche Eingaben und Fehlermeldungen auch via Audio ausgibt (wobei hier zu Bemängeln wäre, dass eine
Sprachausgabe auf einer der westlich des Urals gängigen Sprachen nicht vorgesehen ist - obwohl dieser Mangel nichts weiter als ein kleiner Schönheitsfehler ist, nichts lass ich auf Japan kommen!).
Natürlich ist es konsequent im Sinne einer fernbedienbaren Wohnung, wenn auch die Steuerung des Lichtes via Remote-control erfolgt. Nicht zu erwähnen brauche ich wohl, dass auf eine Simplifizierung weitestgehend und dankenswerter Weise verzichtet wurde. Was ist schon eine Fernbienung wert, mit der sich Dinge lediglich an- und ausschalten lassen können? Die fast vollkommende Perfektion der Entsimplifizierung stellt die Fernbedienung des Klimagerätes dar (siehe rechtes Bild). Jeder könnte sich mit dem An- und Ausschalter, der Temperatur- oder der Luftfeuchtigskeitsvorwähltaste zufrieden geben - nicht aber Japaner. Hier müssen mindestens noch dreißig andere Funktionen integriert werden, deren Sinn wohlmöglich nur von echten Japaner beurteilt werden kann.
Die Frage, ob auf 10 qm Raum Fernbedienungen eine Daseinsberechtigung haben, wage ich nicht zu diskutieren. Noch weniger wage ich zu hinterfragen, welch tieferer Sinn sich hinter der Fernbedienung für die in Japan allgegenwärtige Duschtoilette versteckt hat...

Freitag, 27. Februar 2009

Japan, die Brille

Tatsächlich glaube ich, es ist um mich geschehen. Ja, wirklich. Japan und ich, wir sind jetzt zusammen. Passiert ist es heute morgen auf meinem Weg zum Büro. Der Tenno höchstpersönlich hat mir die rosarote Brille aufgesetzt. Doch was ist geschehen?
Auf meinem Weg zur Arbeit muss ich jeden Tag über eine einspurige Straße gehen. Doch in dieser Woche hat man begonnen, diese Straße zu renovieren. Ein Bautrupp bewaffnet mit Presslufthämmern zertrümmert unter ohrenbetäubendem Lärm die Teerdecke. Ein riesiger, dicker, fetter Bagger steht in der Mitte der Straße und greift mit seinem tentakelartigen Arm nach der zertrümmerten Teerdecke, lädt sie auf einen verchromten Truck. Die Straße ist unpassierbar. Ich blicke etwas ratlos umher, bin unsicher, was zu tun ist. Doch der freundliche, hilfsbereite Sicherungsposten mit seiner blinkenden Weste, seinem Security-Man-Aufnäher, seiner Pilotenbrille und seinem Schutzhelm, wie er sonst nur von F16-Piloten getragen wird (nachge-made in China), stürmt auf mich zu und bittet mich, ihm zu folgen. Noch bevor mir die Gelegenheit gegeben wird, mich zu orientieren und loszumarschieren, winken alle Security Men mit ihren Laserschwerten, der Bautrupp stoppt unverzüglich seine Tätigkeiten, der tentakelartige Arm dieses dicken, fetten, fiesen Baggers zeigt keine Regung mehr. Stille. Höre ich dort etwa Vögel zwitschern? Ich folge dem Security Man, der mich über eine sichere Passage durch die Schlammwüste lotst, vorbei an friedlichen Presslufthämmern, vorbei an diesem in stoischer Ruhe versunkenem Monsterbagger, vorbei an dem verchromten Truck, vorbei an dem Bauarbeiter, der mit einem Wasserschlauch bewaffnet die Dreckspuren des LKW's beseitigt. Natürlich stoppte auch der sein Werk um sicherzustellen, dass mich auf keinen Fall Wasserspritzer treffen können. Am Ende verneigt sich der Security Man zutiefst, doch bin es, der sich verneigen sollte. Erst jetzt nimmt der monsterartige Bagger und mit ihm der Trupp seine ohrenbetäubende Arbeit wieder auf. Toll.
Wo gibt es das sonst?
Ja, richtig, ein paar Meter weiter, als ich eine Straßenkreuzung überqueren möchte. Ich höre ein Martinshorn aus der Ferne. Ein Krankenwagen rast in Höchstgeschwindigkeit auf die Kreuzung zu. Ich verharre, wie alle anderen, auf dem Bürgersteig. Abrupt bremst der, jemand beginnt über das eingebaute Megafon zu sprechen: "Entschuldigung, wir bitten um Entschuldigung, wir müssen hier entlang, jemand ist ernstlich verletzt, Entschuldigung, wir müssen uns sehr beeilen. Achtung, wir biegen jetzt links ab! Vielen Dank!" glaube ich vernehmen zu können.
Toll! Kein brüskes "Platz da", nein, ein mit Lächeln vorgetragenes Pass' auf!
Wo gibt es das sonst?
Ja, richtig, auf dem Bahnhof. Als ich den Bahnsteig erreiche ertönt bereits die Abfahrtsmelodie - ist das etwa Bach? Die meisten Fahrgäste sind bereits eingestiegen, ich will warten. Der freundliche Bahnmitarbeiter mit seiner maßgeschneiderten Uniform fordert mich auf, einzusteigen. Der nächste Zug fährt schließlich erst in fünf Minuten. Aber es ist etwas schwierig für mich, den Zug zu betreten, viele Menschen drängen sich in ihm. Eigentlich ist er überfüllt. Doch der freundliche Bahnmitarbeiter ruft "Entschuldigung, der Herr muss noch mit!" und drückt mich sanft in den Zug hinein, bis er die Tür von Hand schließen kann. Toll!
Wo auf der Welt gibt es das sonst?
Ich habe nur noch eine Frage: Wie kann ich meinen Flug stornieren?

Donnerstag, 5. Februar 2009

Japan, Sweet Home

Lange musste ich auf ihn warten, doch heute ist er gekommen: Der neue Ikea-Katalog. Ich bin dann mal busy...

Mittwoch, 28. Januar 2009

Japan, alles in Ordnung

Japan ist ein ordentliches Land. Wirklich. Wer Müll auf den Strassen sucht, der sucht lange. Wer hupene Autofahrer hören will, der muss lange warten. Wer sich von Dränglern belästigt fühlt, der kann sich hier in Supermärkten oder auf Bahnhöfen zur Ruhe setzen. Doch wer jetzt denkt, dass in diesem ordentlichen Land sich alle an die Geschwindigkeitsregeln halten, der irrt! Der irrt gewaltig! Nicht mal auf dem Campus ist der einfache, unbescholtende Bürger sicher vor diesen geschwindigkeitssüchtigen Junkies. Doch die Polizei kann da nichts machen, ist ja schließlich Privatgelände...
Ich habe jetzt endlich verstanden, warum es eine Schranke und eine Campuspolizei gibt. Tatsächlich ist die schnurgerade Prachtstraße, die etwa 200 m lang ist, und in einem Wendehammer mündet, mit einer Schranke und vier Campuspolizisten gesichert. Und gestern hat ein fünfter die Geschwindigkeit der Autos überprüft. Wer zu schnell war, musste zahlen, sonst durfte er den Campus nicht verlassen. Bin ich froh, dass diesen geschwindigkeitssüchtigen Junkies endlich der Krieg erklärt wurde - werktags von 8 bis 18 Uhr.

Montag, 26. Januar 2009

Japan, Lock, zweiter Versuch

Von Japanesien weiß man einiges, vieles davon aber nur vom Hörensagen, so auch, dass viele Japaner auf Rockmusik abfahren. Zwar hatte ich schon einen ersten Kontakt zu einem Vertreter des japanischen Rocks, doch in einem guten Rockschuppen war ich noch nicht - bis zum Wochenende. Mein erster Ausflug in das Nachtleben sollte dann auch mein erster Kontakt zur japanischen Rockkultur werden. Das Gegensätze hier aufeinanderprallen würden, war abzusehen...
Was erwartet von einem guten Rockschuppen? Eine etwas heruntergekommene Kneipe, etwas versteckt gelegen (für den Insidertipp), ein paar im Raum-Zeit-Kontinuum unberücksichtigt gebliebene Altrocker, ein Rockergroupie, einen Billiardtisch und, natürlich, Rockmusik?
Technisch gesehen, alles vorhanden: Versteckt gelegen heißt, den Aufzug in den xten Stock nutzen. Die Altrockerfraktion wird von völlig durchgedrehten Japanern gestellt, ebenso die Rockergroupies (Tipp für die Dame: Es gibt dann doch einen Unterschied zwischen Rock und Gothic!). Gut, auf diesem Billiardtisch werden wohl keine Weltmeisterschaften ausgetragen, jedenfalls keine von Erwachsenen. Und was ist mit der Rockmusik? Seien wir ehrlich, wer Rockmusik machen will, braucht einen Wessi. Keine Ahnung wo man den aufgetrieben hat, aber gegeben hat er alles, sogar sein letztes Hemd... ehm natürlich Lederjäckchen. Daumen hoch.

Montag, 19. Januar 2009

Japan, wie das Leben so spielt

Im großen Standartwerk des modernen Wissenschaftlers, liebevoll "Anhalter" genannt, steht geschrieben, dass man sich nicht wundern solle, wenn eines beliebigen Tages das Universum in Form eines Hundes um die Ecke kommt und einen anbellt. Auch wenn dieser Ratschlag den Weg der Verinnerlichung gefunden hat, gibt es Umstände, unter denen das Bellen dann doch überraschend kommt.
So geschehen, als ich neulich das Abendessen zu mir nehmen wollte. Das Radio sollte die Stille des Zimmers durchbrechen und nach einigem Suchen fand ich dann einen Sender mit einer Plattenkistensendung. Mir wurde klar, dass dieser Sender ein Best-of Pop aus aller Herren Länder spielte. Fröhlich gestimmt hörte ich also mit meinen Lauscher, was so, aus japanischer Sicht, ein Best-of sein könnte. Irgendwann kam aus dann auch zu einem deutschen Beitrag. Aus vorangegangen Musikbeiträgen hatte ich geschlossen, dass es Wolfgang Petry, eine Sarah Connor oder Die Doofen wohl nicht sein würden, eher rechnete ich mit einem Reinhard May oder mit BAP. Um so verstörter war ich, als ich erkannt, welcher deutsche "Singer" den Sprung geschafft hatte: Kein geringerer als Stefan Raab!
Selten bin ich so angebellt worden.